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Aufklärung: Frage (beantwortet)
Status: (Frage) beantwortet Status 
Datum: 22:03 Di 28.08.2007
Autor: Ahava

Kann mir jemand schnell erklären,was öffentliche Gebrauch und Privatgebrauch der Vernunft  bedeutet?
Ich brauche eine Erklärung dafür sehr,sehr dringend!!!

        
Bezug
Aufklärung: Antwort
Status: (Antwort) fertig Status 
Datum: 22:12 Di 28.08.2007
Autor: Analytiker

Hi Ahava,

> Kann mir jemand schnell erklären, was öffentliche Gebrauch
> und Privatgebrauch der Vernunft bedeutet?

Ich poste dir mal einen ganz interessanten Artikel (von Kant) aus dem Internet, der dir deine Frage locker beantworten sollte ;-)! ist zwar ein bissl Leserlei, aber dass bekommst du schon hin *lächel*!

Unterscheidung zwischen "öffentlichen" und "privaten Gebrauch" der Vernunft:

Zu dieser Aufklärung aber wird nichts erfordert als Freiheit; und zwar die unschädlichste unter allem, was nur Freiheit heißen mag, nämlich die: von seiner Vernunft in allen Stücken öffentlichen Gebrauch zu machen. Nun höre ich aber von allen Seiten rufen: räsonniert nicht! Der Offizier sagt: räsonniert nicht, sondern exerziert! Der Finanzrat: räsonniert nicht, sondern bezahlt! Der Geistliche: räsonniert nicht, sondern glaubt! (Nur ein einziger Herr in der Welt sagt: räsonniert, so viel ihr wollt, und worüber ihr wollt; aber gehorcht!) Hier ist überall Einschränkung der Freiheit. Welche Einschränkung aber ist der Aufklärung hinderlich? welche nicht, sondern ihr wohl gar beförderlich? Ich antworte: der öffentliche Gebrauch seiner Vernunft muß jederzeit frei sein, und der allein kann Aufklärung unter Menschen zu Stande bringen; der Privatgebrauch derselben aber darf öfters sehr enge eingeschränkt sein, ohne doch darum den Fortschritt der Aufklärung sonderlich zu hindern. Ich verstehe aber unter dem öffentlichen Gebrauche seiner eigenen Vernunft denjenigen, den jemand als Gelehrter von ihr vor dem ganzen Publikum der Leserwelt macht. Den Privatgebrauch nenne ich denjenigen, den er in einem gewissen ihm anvertrauten bürgerlichen Posten, oder Amte, von seiner Vernunft machen darf. Nun ist zu manchen Geschäften, die in das Interesse des gemeinen Wesens laufen, ein gewisser Mechanism notwendig, vermittelst dessen einige Glieder des gemeinen Wesens sich bloß passiv verhalten müssen, um durch eine künstliche Einhelligkeit von der Regierung zu öffentlichen Zwecken gerichtet, oder wenigstens von der Zerstörung dieser Zwecke abgehalten zu werden. Hier ist es nun freilich nicht erlaubt, zu räsonnieren; sondern man muß gehorchen. So fern sich aber dieser Teil der Maschine zugleich als Glied eines ganzen gemeinen Wesens, ja sogar der Weltbürgergesellschaft ansieht, mithin in der Qualität eines Gelehrten, der sich an ein Publikum im eigentlichen Verstande durch Schriften wendet: kann er allerdings räsonnieren, ohne daß dadurch die Geschäfte leiden, zu denen er zum Teile als passives Glied angesetzt ist. So würde es sehr verderblich sein, wenn ein Offizier, dem von seinen Oberen etwas anbefohlen wird, im Dienste über die Zweckmäßigkeit oder Nützlichkeit dieses Befehls laut vernünfteln wollte; er muß gehorchen. Es kann ihm aber billigermaßen nicht verwehrt werden, als Gelehrter, über die Fehler im Kriegesdienste Anmerkungen zu machen, und diese seinem Publikum zur Beurteilung vorzulegen. Der Bürger kann sich nicht weigern, die ihm auferlegten Abgaben zu leisten; sogar kann ein vorwitziger Tadel solcher Auflagen, wenn sie von ihm geleistet werden sollen, als ein Skandal (das allgemeine Widersetzlichkeiten veranlassen könnte) bestraft werden. Eben derselbe handelt demohngeachtet der Pflicht eines Bürgers nicht entgegen, wenn er, als Gelehrter, wider die Unschicklichkeit oder auch Ungerechtigkeit solcher Ausschreibungen öffentlich seine Gedanken äußert. Eben so ist ein Geistlicher verbunden, seinen Katechismusschülern und seiner Gemeine nach dem Symbol der Kirche, der er dient, seinen Vortrag zu tun; denn er ist auf diese Bedingung angenommen worden. Aber als Gelehrter hat er volle Freiheit, ja sogar den Beruf dazu, alle seine sorgfältig geprüften und wohlmeinenden Gedanken über das Fehlerhafte in jenem Symbol, und Vorschläge wegen besserer Einrichtung des Religionsund Kirchenwesens, dem Publikum mitzuteilen. Es ist hiebei auch nichts, was dem Gewissen zur Last gelegt werden könnte. Denn, was er zu Folge seines Amts, als Geschäftträger der Kirche, lehrt, das stellt er als etwas vor, in Ansehung dessen er nicht freie Gewalt hat, nach eigenem Gutdünken zu lehren, sondern das er nach Vorschrift und im Namen eines andern vorzutragen angestellt ist. Er wird sagen: unsere Kirche lehrt dieses oder jenes; das sind die Beweisgründe, deren sie sich bedient. Er zieht alsdann allen praktischen Nutzen für seine Gemeinde aus Satzungen, die er selbst nicht mit voller Überzeugung unterschreiben würde, zu deren Vortrag er sich gleichwohl anheischig machen kann, weil es doch nicht ganz unmöglich ist, daß darin Wahrheit verborgen läge, auf alle Fälle aber wenigstens doch nichts der innern Religion Widersprechendes darin angetroffen wird. Denn glaubte er das letztere darin zu finden, so würde er sein Amt mit Gewissen nicht verwalten können; er müßte es niederlegen. Der Gebrauch also, den ein angestellter Lehrer von seiner Vernunft vor seiner Gemeinde macht, ist bloß ein Privatgebrauch; weil diese immer nur eine häusliche, obzwar noch so große, Versammlung ist; und in Ansehung dessen ist er, als Priester, nicht frei, und darf es auch nicht sein, weil er einen fremden Auftrag ausrichtet. Dagegen als Gelehrter, der durch Schriften zum eigentlichen Publikum, nämlich der Welt, spricht, mithin der Geistliche im öffentlichen Gebrauche seiner Vernunft, genießt einer uneingeschränkten Freiheit, sich seiner eigenen Vernunft zu bedienen und in seiner eigenen Person zu sprechen. Denn daß die Vormünder des Volks (in geistlichen Dingen) selbst wieder unmündig sein sollen, ist eine Ungereimtheit, die auf Verewigung der Ungereimtheiten hinausläuft.

Um dir vielleicht eine (Interpretations-)Hilfe zu geben, lies bloß weiter:

Was heißt "öffentlicher Gebrauch"? Nicht, wie man vielleicht heute meinen könnte, die Möglichkeit sich mündlich vor einem Auditorium zu äußern, sondern gemeint ist damit jener Gebrauch der eigenen Vernunft, "den jemand als Gelehrter von ihr vor dem ganzen Publikum der Leserwelt macht." Das Gegenteil davon, nämlich der "Privatgebrauch", ist das, was wir wiederum "öffentlich" zu nennen pflegen, nämlich die Äußerungen, die etwa dieser Gelehrte im Rahmen eines "ihm anvertrauten bürgerlichen Posten, oder Amte, von seiner Vernunft machen darf." Im erste Fall handelt es sich um die Freiheit zu "räsonnieren" und zwar "durch Schriften", indem man sich nicht vom politischen oder geistlichen Amte eingeschränkt (als Bürger oder Geistlicher) weiß, sondern eben als Gelehrter, als Glied der "Weltbürgergesellschaft", begreift und die Möglichkeit hat, sich "öffentlich, d.h. durch Schriften, über das Fehlerhafte der dermaligen Einrichtung seine Anmerkungen zu machen".

Alles klaro? Falls Fragen aufgetreten sind, scheue dich nicht sie zu stellen!

Liebe Grüße
Analytiker
[lehrer]

Bezug
                
Bezug
Aufklärung: Frage (beantwortet)
Status: (Frage) beantwortet Status 
Datum: 22:21 Di 28.08.2007
Autor: Ahava

Danke für deine Mühe,aber den Text habe ich vor mir liegen?:/den Sinn dieses Textes verstehe ich nicht sooo ganz...........Kannst du einen Vergleich(aus dem heutigen Leben) zwischen öffentlichen Gebrauch und Privatgebrauch d. Vernunft  machen??



Bezug
                        
Bezug
Aufklärung: Antwort
Status: (Antwort) fertig Status 
Datum: 22:25 Di 28.08.2007
Autor: Analytiker

Hi,

> Danke für deine Mühe,aber den Text habe ich vor mir
> liegen?:/den Sinn dieses Textes verstehe ich nicht sooo
> ganz...........Kannst du einen Vergleich(aus dem heutigen
> Leben) zwischen öffentlichen Gebrauch und Privatgebrauch d.
> Vernunft  machen??

Hast du denn auch noch bis ganz nach unten (nach dem Absatz) geguckt, genau dort gebe ich doch einen Vergleich in eine "modernere Denkweise"...?

Liebe Grüße
Analytiker
[lehrer]

Bezug
                                
Bezug
Aufklärung: Frage (beantwortet)
Status: (Frage) beantwortet Status 
Datum: 22:42 Di 28.08.2007
Autor: Ahava

Ich sage jetzt mal kurz:den öffentlichen und Privatgebrauch seiner Vernunft  darf die selbe Person machen bzw. eine x Person darf seinen Privatgebrauch d. Vernunft öffentlich machen??Sind meine Gedanken  soweit richtig??

Bezug
                                        
Bezug
Aufklärung: Antwort
Status: (Antwort) fertig Status 
Datum: 22:49 Di 28.08.2007
Autor: Analytiker

Hi,

> Ich sage jetzt mal kurz: den öffentlichen und Privatgebrauch
> seiner Vernunft darf die selbe Person machen bzw. eine x
> Person darf seinen Privatgebrauch d. Vernunft öffentlich
> machen??Sind meine Gedanken soweit richtig??

Jein... (also gaaaaaanz "einfach" ausgedrückt könnte man das so stehen lassen)! Ich kann es dir leider nicht besser formulieren, als das ich es schon bereits oben getan habe:
"Was heißt "öffentlicher Gebrauch"? Nicht, wie man vielleicht heute meinen könnte, die Möglichkeit sich mündlich vor einem Auditorium zu äußern, sondern gemeint ist damit jener Gebrauch der eigenen Vernunft, "den jemand als Gelehrter von ihr vor dem ganzen Publikum der Leserwelt macht." Das Gegenteil davon, nämlich der "Privatgebrauch", ist das, was wir wiederum "öffentlich" zu nennen pflegen, nämlich die Äußerungen, die etwa dieser Gelehrte im Rahmen eines "ihm anvertrauten bürgerlichen Posten, oder Amte, von seiner Vernunft machen darf."

Schau dir aber bitte nochmal diese etwas ältere Diskussion dazu an:

-> klickst du hier!

Liebe Grüße
Analytiker
[lehrer]

Bezug
                                                
Bezug
Aufklärung: Mitteilung
Status: (Mitteilung) Reaktion unnötig Status 
Datum: 22:52 Di 28.08.2007
Autor: Ahava

Oki,trotzdem danke für deine Hilfe!

Bezug
                                        
Bezug
Aufklärung: Antwort
Status: (Antwort) fertig Status 
Datum: 10:22 Mi 29.08.2007
Autor: Leonila

Noch mal ein anderes Beispiel: Ist jemand Henker, soll er gefälligst die Hinrichtung vornehmen. Ist jemand Gelehrter, darf er öffentlich den Sinn oder Unsinn der Todesstrafe in Frage stellen.  Bist du Bauer, hast du deine Arbeit zu verrichten. Bist du Gelehrter, darfst du die Frage nach der Leibeigenschaft öffentlich diskutieren.


Die Öffentlichkeit im 18.Jahrhundert war noch ganz und gar durch den Hof geprägt. Das öffentliche Leben bestimmten die Landesfürsten. Doch selbst Friedrich II. konnte die Abschaffung der Leibeigenschaft nur mit Mühe gegen den Adel durchsetzen. Vor diesemn Hintergrund war es ein Fortschritt, wenn der Hochschulbetrieb an der öffentlichen Diskussion beteiligt werden sollte. Es war überhaupt schon ein Fortschritt, wenn eine öffentliche Diskussion zustande kam. Es gab keine Presefreiheit, es gab keine Parteien oder Verbände, die sich hätten zu Wort melden können. Wir befinden uns noch in einer Zeit, in der langsam ein elementares Schulsystem aufgebaut wurde und die Religionsfreiheit als Sieg gefeiert wurde. Heute würde Kant es anders formulieren: Redakteure, Journalisten, Lobbyisten, Politiker, usw. dürften selbstverständlich auch von ihrer Vernunft öffentlich Gebrauch machen.  

Dass es nun unbedingt die Gelehrten sein sollen, die durch aufklärerische Gedanken die Gesellschaft zu verändern suchen, hat auch noch einen anderen Grund: Nach Kant wird der Mensch zu einem besseren Menschen durch die Kraft der Erziehung. In Bezug auf die Selbstaufklärung und Selbsterziehung erwartete Kant von den Lehrern/Gelehrten noch am ehesten, dass sie sich aus eigener Kraft erziehen könnten, um dann auf andere einwirken zu können.



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