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(Frage) beantwortet | Datum: | 18:06 Fr 23.04.2004 | Autor: | dizzie |
Hallo ihr Lieben,
ich habe mal wieder ein Problem aufgrund mangelnder Vorstellungskraft.
Wir behandeln in der Vorlesung gerade [mm] \sigma[/mm]-Algebren und ich komme mit den Definitionen noch nicht so ganz zurecht, die Bücher, die ich gerade konsultiert habe, haben mich leider auch nicht schlauer gemacht.
Vielleicht könnt ihr mir anhand eines einfachen Beispiels mal das Prinzip erklären:
Sei die Grundmenge [mm]X \not= \emptyset[/mm] gegeben. Ist folgende Menge eine [mm] \sigma[/mm]-Algebra?
A = {A [mm] \subset [/mm] X : A oder [mm] A^C [/mm] ist abzählbar}
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(Antwort) fertig | Datum: | 19:47 Fr 23.04.2004 | Autor: | Marc |
Hallo dizzie,
ich versuche es mal zu zeigen.
> Vielleicht könnt ihr mir anhand eines einfachen Beispiels
> mal das Prinzip erklären:
So einfach finde ich dieses Beispiel nicht, muß ich sagen, zumindestens kenne ich sehr viel einfachere
> Sei die Grundmenge [mm]X \not= \emptyset[/mm] gegeben. Ist folgende
> Menge eine [mm]\sigma[/mm]-Algebra?
> A = {A [mm] \subset [/mm] X : A oder [mm] A^C [/mm] ist abzählbar}
Die drei Bedingungen, die ein [mm] $\sigma$-Algebra [/mm] erfüllen muss, liegen dir wahrscheinlich vor, ich zitiere sie aber mal als Grundlage:
$X$ sei eine Menge, und [mm] \cal{A} [/mm] eine Menge von Teilmengen von $X$.
Dann heißt [mm] \cal{A} [/mm] eine [mm] $\sigma$-Algebra, [/mm] wenn
i) [mm] $X\in\cal{A}$
[/mm]
ii) [mm] $M,N\in\cal{A}$ $\Rightarrow$ $M\setminus [/mm] N [mm] \in\cal{A}$
[/mm]
iii) [mm] (M_i)_{i\in\IN} [/mm] mit [mm] $M_i\in\cal{A}$ $\Rightarrow$ $\bigcup\limits_{i\in\IN} M_i$
[/mm]
(d.h. abzählbare Vereinigungen sind wieder Element von [mm] \cal{A})
[/mm]
Was nun folgt, ist eine Überprüfung dieser Bedingungen für deine Beispielmenge $X$.
ad i)
trivial (denn [mm] \emptyset [/mm] ist abzählbar)
ad ii)
Sei also [mm] $M,N\in\cal{A}$
[/mm]
Es gibt nun vier Fälle zu untersuchen:
1) $M$ abzählbar, $N$ abzählbar
2) $M$ abzählbar, [mm] $N^c$ [/mm] abzählbar
3) [mm] $M^c$ [/mm] abzählbar, $N$ abzählbar
4) [mm] $M^c$ [/mm] abzählbar, [mm] $N^c$ [/mm] abzählbar
Wir müssen zeigen, dass [mm] $M\setminus N\in\cal{A}$, [/mm] also dass [mm] $M\setminus [/mm] N$ abzählbar oder [mm] $(M\setminus N)^c$ [/mm] abzählbar ist.
ad 1) + 2)
Klar, denn dann ist [mm] $M\setminus [/mm] N$ wegen [mm] $M\setminus N\subset [/mm] M$ wieder abzählbar.
ad ii) 3)
Hier zeige ich, dass [mm] $(M\setminus N)^c$ [/mm] abzählbar ist:
Es ist [mm] $(M\setminus N)^c=(M^c\cap N^c)\cup (M\cap [/mm] N)$, aber [mm] $M^c\cap N^c$ [/mm] ist abzählbar, da [mm] $M^c$ [/mm] abzählbar ist und [mm] $M\cap [/mm] N$ ist abzählbar, da $N$ abzählbar ist; also ist auch die Vereinung der beiden Mengen abzählbar.
Korrektur (danke Stefan): Es ist natürlich [mm] $(M\setminus N)^c=M^c\cup [/mm] N$, und da beide beteiligte Mengen n.V. abzählbar sind, ist es auch deren Vereinigung.
ad ii) 4)
Das überlasse ich dir zur Übung und gebe nur diesen Tipp:
[mm] $M\setminus N=M\cap N^c$
[/mm]
ad iii)
Hier würde ich einen Induktionsbeweis machen, probier' es doch mal und schreib' uns deine Versuche.
Der Induktionsschritt besteht ja im wesentlichen aus diesem Beweis:
[mm] $M,N\in\cal{A}$ $\Rightarrow$ $M\cup N\in\cal{A}$, [/mm] und da könnte man wieder die vier Fälle aus ii) einzeln betrachten.
Ich habe es selbst noch nicht bewiesen, falls es nicht funktioniert, können wir hoffentlich aus dem Scheitern ein Gegenbeispiel basteln. Wenn du nicht weiterkommst und dich wieder meldest, mache ich diesen Teil auch gerne vor.
Nachtrag (ebenfalls danke an Stefan): Falls alle Mengen [mm] M_i [/mm] abzählbar sind, so ist es auch deren Vereinigung (denn die abzählbare Vereinigung abzählbarer Mengen ist wieder abzählbar).
Falls es unter den Mengen [mm] M_i [/mm] jedoch eine Menge [mm] M_k [/mm] geben sollte mit [mm] M_k^C [/mm] abzählbar, dann ist das Komplement der Vereinigung sicher auch abzählbar, wegen [mm] \left(\bigcup\limits_{i\in\IN} M_i\right)^C\subset M_k^C.
[/mm]
Viel Erfolg,
Marc
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(Frage) beantwortet | Datum: | 17:49 Sa 24.04.2004 | Autor: | dizzie |
Hallo nochmal, und erstmal vielen lieben Dank für die ausführliche Antwort!
So kompliziert hätte ich mir die Aufgabe gar nicht vorgestellt, unser Prof hat sie zumindest als "sehr human" bezeichnet. ;)
Ich hätte noch mal eine Frage zu ad i) [mm]X \in A[/mm], denn so trivial ist das für mich leider gar nicht. Wenn [mm]X[/mm] eine Menge ist und [mm]A[/mm] eine Menge von Teilmengen von [mm]X[/mm], wie kann dann die gesamte Menge [mm]X[/mm] in [mm]A[/mm] enthalten sein? Bedeutet das, dass in den Teilmengen alle Elemente von [mm]X[/mm] enthalten sind?
So, und nun noch mein Lösungsansatz zu ad ii) 4): [mm]M^C[/mm] abzählbar, [mm]N^C[/mm] abzählbar.
[mm]M^C \setminus N^C = \emptyset[/mm] und [mm]\emptyset[/mm] ist abzählbar.
(Ich bin mir mehr als unsicher, ob das so funktioniert.)
Demnach müsste [mm]A[/mm] eine [mm]\sigma[/mm]-Algebra sein.
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(Antwort) fertig | Datum: | 18:14 Sa 24.04.2004 | Autor: | Marc |
Hallo dizzie!
> Hallo nochmal, und erstmal vielen lieben Dank für die
> ausführliche Antwort!
Kein Problem, deine Rückmeldung freut mich
> So kompliziert hätte ich mir die Aufgabe gar nicht
> vorgestellt, unser Prof hat sie zumindest als "sehr human"
> bezeichnet. ;)
>
> Ich hätte noch mal eine Frage zu ad i) [mm]X \in A[/mm], denn so
> trivial ist das für mich leider gar nicht. Wenn [mm]X[/mm] eine
> Menge ist und [mm]A[/mm] eine Menge von Teilmengen von [mm]X[/mm], wie kann
> dann die gesamte Menge [mm]X[/mm] in [mm]A[/mm] enthalten sein? Bedeutet das,
> dass in den Teilmengen alle Elemente von [mm]X[/mm] enthalten
> sind?
Das liegt daran, weil ja für jede Menge $X$ gilt: [mm] $X\subset [/mm] X$ (natürlich nur, wenn man das Zeichen [mm] "$\subset$" [/mm] versteht als [mm] "$\subseteq$", [/mm] was aber üblich ist).
In Worten: Eine Menge ist i.a. eine Teilmenge ihrer selbst.
Deswegen kann [mm] $X\in\cal{A}$ [/mm] sein (ob $X$ tatsächlich in [mm] $\cal{A}$ [/mm] ist, ist ja gerade z.z., als Teilbedingung dafür, dass [mm] $\cal{A}$ [/mm] ein [mm] $\sigma$-Algebra [/mm] ist.)
> So, und nun noch mein Lösungsansatz zu ad ii) 4): [mm]M^C[/mm]
> abzählbar, [mm]N^C[/mm] abzählbar.
>
> [mm]M^C \setminus N^C = \emptyset[/mm] und [mm]\emptyset[/mm] ist
> abzählbar.
Das verstehe ich nicht ganz, wieso ist [mm]M^C \setminus N^C = \emptyset[/mm]? Das dürfte doch nur gelten, falls [mm] $M^C\subset N^C$, [/mm] darüber ist aber nichts bekannt.
> (Ich bin mir mehr als unsicher, ob das so funktioniert.)
Das ist doch schon mal was
Was ist denn mit meinem Tipp, den ich an dieser Stelle gegeben hatte?
[mm] $M\setminus N=M\cap N^c$
[/mm]
Argumentation: [mm] $N^c$ [/mm] ist n.V. abzählbar, deswegen [mm] $M\cap N^c=M\setminus [/mm] N$ ebenfalls.
> Demnach müsste [mm]A[/mm] eine [mm]\sigma[/mm]-Algebra sein.
Die dritte Bedingung hattest du auch gezeigt bzw. weißt, wie man sie zeigt?
Alles Gute
Marc
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 19:18 Sa 24.04.2004 | Autor: | dizzie |
Hallo Marc!
> Das liegt daran, weil ja für jede Menge $X$ gilt: [mm] $X\subset [/mm]
> X$ (natürlich nur, wenn man das Zeichen [mm] "$\subset$" [/mm]
> versteht als [mm] "$\subseteq$", [/mm] was aber üblich ist).
> In Worten: Eine Menge ist i.a. eine Teilmenge ihrer
> selbst.
> Deswegen kann [mm] $X\in\cal{A}$ [/mm] sein (ob $X$ tatsächlich in
> [mm] $\cal{A}$ [/mm] ist, ist ja gerade z.z., als Teilbedingung dafür,
> dass [mm] $\cal{A}$ [/mm] ein [mm] $\sigma$-Algebra [/mm] ist.)
Alles klar, das habe ich nun verstanden!
> Das verstehe ich nicht ganz, wieso ist [mm]M^C \setminus N^C = \emptyset[/mm]?
> Das dürfte doch nur gelten, falls [mm] $M^C\subset N^C$, [/mm] darüber
> ist aber nichts bekannt.
Verstehe. Ich hab mir dazu eine Zeichnung gemacht und das dabei vermutlich durcheinander gebracht.
> Was ist denn mit meinem Tipp, den ich an dieser Stelle
> gegeben hatte?
> [mm] $M\setminus N=M\cap N^c$
[/mm]
> Argumentation: [mm] $N^c$ [/mm] ist n.V. abzählbar, deswegen [mm] $M\cap [/mm]
> [mm] N^c=M\setminus [/mm] N$ ebenfalls.
Wenn ich das hinterher so lese, ist es natürlich logisch. Ich glaube, ich muss mir diese mathematische Herangehensweise einfach noch ein bisschen besser aneignen, um solche Aufgaben selbständig zu lösen.
> Die dritte Bedingung hattest du auch gezeigt bzw. weißt,
> wie man sie zeigt?
Ich dachte, der Nachtrag von Stefan unter deiner ersten Antwort wäre schon als Beweis zu verstehen, zumindest erscheint er mir logisch.
Ich wüsste gar nicht, wie man in diesem Fall an einen Induktionsbeweis herangehen müsste.
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 01:45 So 25.04.2004 | Autor: | Stefan |
Hallo dizzie,
damit ist die Aufgabe wohl erledigt. Ja, du hast Recht, der dritte Teil war bereits vollständig bewiesen.
Die Hauptschwierigkeit der Aufgabe dürften wohl für dich die Umformungen aus dem Gebiet der naiven Mengenlehre gewesen sein. (Wenn man die beherrscht, ist der Rest Routine.) Ich kann dir nur dringend raten diese Umformungen zu üben, denn diese wirst du für die Maß- und Wahrscheinlichkeitstheorie immer und immer wieder brauchen. Wenn du dir jedes Mal eine Zeichnung (Venn-Diagramme) machen musst, wird es sehr zeitauwändig und fehleranfällig.
Liebe Grüße
Stefan
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 10:03 So 25.04.2004 | Autor: | dizzie |
Ich werd' versuchen, das zu beherzigen.
Vielen Dank Euch beiden nochmal!
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